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Die Scheinblüte

Die Erholung der Wirtschaft in der Eurozone ist leider eine Illusion.

24.05.2014
 
© THILO ROTHACKERVergrößern
Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institutes und Senior Fellow am Center for Financial Studies der Universität Frankfurt.

Offiziell hat die Wirtschaft der Eurozone im zweiten Quartal des letzten Jahres die Rezession hinter sich gelassen und wächst wieder. Allerdings dümpelt das Wachstum nach einem Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts um zunächst 0,3 Prozent mit einer durchschnittlichen Rate von 0,2 Prozent nur vor sich ihn. Auch die kürzlich veröffentlichten Daten für das erste Quartal dieses Jahres zeigen keine weitere Beschleunigung.

Außerdem verdecken die aggregierten Zahlen eine sehr ungleiche Entwicklung in den einzelnen Ländern. Während die deutsche Wirtschaft seit dem Ende der Rezession mit einer durchschnittlichen Rate von 0,6 Prozent pro Quartal gewachsen ist und im ersten Quartal dieses Jahres auf 0,8 Prozent beschleunigt hat, sind andere Länder kaum über die Stagnation hinausgekommen oder verharren weiter in der Rezession. So wuchs die französische Wirtschaft im Schnitt mit weniger als 0,2 Prozent pro Quartal und hat im ersten Quartal dieses Jahres stagniert. In Italien ist die Wirtschaft mit einer durchschnittlichen Rate von minus 0,1 Prozent bis zum ersten Quartal dieses Jahres weiter geschrumpft. Negative Raten von durchschnittlich minus 0,1 Prozent beziehungsweise minus 0,2 Prozent verzeichneten auch die Niederlande und Finnland. Das Wachstum der spanischen Wirtschaft war mit weniger als 0,2 Prozent im Durchschnitt ebenfalls sehr mäßig, hat sich jedoch im ersten Quartal immerhin auf 0,4 Prozent beschleunigt. Insgesamt gesehen kann man mit dieser Erholung kaum zufrieden sein.

Leider sind die Aussichten für den Rest des Jahres ebenfalls sehr verhalten. Zwar sind die Zinsen auf Staatsanleihen dank der von EZB-Präsident Draghi im Juli 2012 gegebenen Bestandsgarantie für die EWU stark zurückgegangen, und die Fiskalpolitik ist wegen der dadurch eröffneten Möglichkeit neuer Verschuldung zu günstigen Konditionen weniger restriktiv geworden. Aber die Kreditvergabe der Banken wird wohl kaum großzügiger werden, solange die Prüfung ihrer Bilanzen durch die EZB in Vorbereitung für die Bankenunion nicht abgeschlossen ist. Außerdem spüren viele Länder Gegenwind von dem für sie viel zu hohen Wechselkurs des Euro, der auf handelsgewichteter Basis seit August 2012 um 9,3 Prozent gestiegen ist.

Hier macht sich bemerkbar, dass die Länder an der Peripherie der Eurozone seit Draghis Garantie als hochrentierlicher sicherer Hafen für internationale Kapitalanleger gesehen werden, die Mittel aus den Schwellenländern abziehen. In mehr als der Hälfte des Euroraums herrschen inzwischen japanische Verhältnisse, die durch nahe an der Stagnation liegendes Wachstum und niedrige Inflation oder leichte Deflation charakterisiert sind.

Die Schuldenlast erreicht japanische Höhen

Auch die öffentliche Schuldenlast bewegt sich in vielen Ländern auf japanische Höhen zu. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die EZB für ihre Sitzung im Juni ein umfangreiches Paket von Maßnahmen zu einer weiteren Lockerung der Geldpolitik angekündigt hat. Auch die Geldpolitik nähert sich japanischen Verhältnissen an.

Wäre die EZB allein für Deutschland zuständig, müsste man eine solche Geldpolitik als unverantwortlich bezeichnen. Mit einer durchschnittlichen Rate von 2,2 Prozent auf Jahresbasis seit dem ersten Quartal letzten Jahres, die sich im ersten Quartal diesen Jahres auf 3,2 Prozent beschleunigt hat, wächst die deutsche Wirtschaft klar über ihrem Potential. Obwohl von einer Unterauslastung der Kapazitäten nicht mehr die Rede sein kann, ist allerdings der Anstieg der Konsumentenpreise wegen steigender Importe verhalten geblieben. Statt in Konsumentenpreisinflation findet die für Deutschland ultralockere Geldpolitik in steigenden Immobilienpreisen ihren Niederschlag.

Dies rührt daher, dass die Preise für immobile Vermögenswerte in schwindelnde Höhen getrieben werden, wenn der reale Zins für längere Zeit unter dem realen Wachstum der Wirtschaft gehalten wird. Am Beispiel der Preise für Land wird dies deutlich: Pachteinnahmen ergeben sich aus der Multiplikation von Pachtzins und Landpreis. Daraus folgend erhält man den Landpreis, indem man die Pachteinnahmen durch den Pachtzins teilt. Wird der Pachtzins nun aufgrund fallender Kapitalmarktzinsen gegen null gedrückt, geht der Landpreis gegen unendlich.

Für Kapitalanleger heißt dies, dass sie Immobilien nicht länger wegen der Rendite, sondern allein aufgrund der Aussicht auf weiter steigende Preise kaufen. Die Folge davon sind Fehlinvestitionen, eine Preisblase am Immobilienmarkt und hohe wirtschaftliche Folgeschäden, wenn diese Blase schließlich platzt. Das Erschreckende an dieser Aussicht ist, dass die deutsche Wirtschaftspolitik in der EWU kaum Handlungsspielraum hat, etwas dagegen zu unternehmen.

Quelle: F.A.S.