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Gift im Flugzeug

von Rene Graeber

 

Man nennt es das „aerotoxische Syndrom“ und wurde der breiten Öffentlichkeit Anfang Juli dieses Jahres in einer Reportage der ARD näher gebracht (Die Story im Ersten: Nervengift im Flugzeug – Was die Luftfahrtindustrie verschweigt). Wer die Sendung (noch) einmal sehen möchte, der wird auf Youtube.com fündig werden: https://www.youtube.com/watch?v=l89YeBN7Wz4. Aber auch das Internet ist voll von dieser Reportage und korrespondierenden Berichten.

Hier eine kleine Auswahl:

Fume Effekte Flugzeuge - so drastisch wie in dieser Abbildung ist es nicht, aber das Problem der "Nervengifte" existiert...

Abb1: Fume Effekte in Flugzeugen – so drastisch wie in dieser Abbildung ist es nicht, aber das Problem der “Nervengifte” existiert…

 

Fliegen ist 1000 mal sicherer als Autofahren – so lautet das Credo der Vielflieger und Fluggesellschaften, was für ein beruhigendes Gefühl sorgt. In der Tat sind viel weniger Flugzeuge mit ihresgleichen kollidiert als Autos mit Autos. Und die Bilanz der Crashs mit Bäumen und Mauern fällt auch für die Autos signifikant schlechter aus als für Flugzeuge. Solche Statistiken werden nur von Otto Waalkes Orgel-Statistik übertroffen, dessen Orgel aufgrund von geeigneten religiösen Maßnahmen noch nie mit einer anderen Orgel zusammengestoßen ist. Nein, ich will nicht flapsig werden. Aber, so wie es aussieht, ist das Credo von der Sicherheit und Unbedenklichkeit des Fliegens genau so flapsig wie der Otto-Beitrag. Nur – Meister Otto will zum Lachen anregen.

Das Credo der Luftfahrtindustrie dagegen ist eher zum Heulen beziehungsweise Fürchten. Grund für das Fürchten ist dieses aerotoxische Syndrom. Es ist bekannt seit mehr als 50 Jahren, was aber niemanden daran gehindert zu haben scheint, sich einfach nicht darum zu kümmern. Heute weiß man mehr. Dafür gibt es mehr Leute, die davon nichts wissen wollen oder das ganze als bedeutungslos und unbewiesen hinstellen.

Aber worum handelt es sich bei diesem Syndrom?

Dicke Luft im Flugzeug

Wer hoch hinausfliegt, der muss dafür sorgen, dass der Luftdruck im Inneren eines Flugzeugs nicht allzu deutlich abfällt, da sonst der Sauerstoff für alle Personen zu gering wird. Bei den meisten Flugzeugen geschieht dies über eine Zapfluftanlage aus dem Verdichter des Triebwerks. Sind hier Dichtungen beschädigt, dann strömen die Dämpfe des Getriebe- beziehungsweise Turbinenöls mit der komprimierten Luft in die Kabine und verpesten die Luft im Innern des Fliegers.

Da es sich bei diesen Ölen nicht um Salatöl handelt, sondern Spezialöle, enthalten diese eine Reihe von Stoffen, die der Gesundheit im höchsten Maße abträglich sind wie Organo-Phosphate, Phenyl-Napthylamine und Trikresyl-Phosphat (TCP), die von Toxikologen als hochgefährlich eingestuft werden. Die Substanzen, besonders das TCP, sind neurotoxisch.

Sie verursachen neurologische Symptome wie Schwindel, Kopfschmerzen, Lähmungen, Herzrasen, Kurzatmigkeit, Schmerzen an Muskeln und Gliedern, Ermüdungserscheinungen und so weiter.

Leider versehen so gut wie alle Flugzeughersteller ihre Flieger mit dieser Zapfluftanlage. Der Grund, der dafür angegeben wird, ist laut der ARD-Reportage eine Kostenfrage. Denn eine Frischluftzufuhr, deren Öffnung sich weit entfernt von den Triebwerken an der Nase des Fliegers befindet, bedeutet zusätzliches Gewicht durch zusätzliche Kompressoren, die den Kabinendruck aufrechterhalten müssen. Und mehr Gewicht heißt höherer Treibstoffverbrauch. Da wundert man sich, dass die neue Boeing 787 – Dreamliner keine Zapfluftanlage besitzt und genau die eben beschriebenen „kosten ungünstige“ Variante für die Frischluftzufuhr betreibt.

Grund für diese Maßnahme: Man glaubt es nicht, aber laut „Wikipedia“ wird mit dem Verzicht auf Zapfluft weniger Kerosin verbrannt, da die Turbinen ohne diese Zapfluft ökonomischer arbeiten. Ein weiterer Artikel von „Wikipedia“ zum Thema „Zapfluft“, unter dem Sub-Titel „Vor- und Nachteile“, bestätigt die Aussage des ersten Beitrags:

„Schwerwiegendster Nachteil jedoch ist, dass sich bei Zapfluftentnahme der Treibstoffverbrauch erhöht und die Leistung sinkt. Bei hoher Startleistung wird deshalb auch die Zapfluftentnahme abgeschaltet, um in der kritischen Startphase die volle Triebwerksleistung zur Verfügung zu haben.“

Warum wird dann immer noch mit dem Zapfluftanlage-System gearbeitet? Antwort: Weil es ein einfaches System ist, das Wartungskosten spart und technisch relativ einfach zu handhaben ist. Wenn man den Aussagen von „Wikipedia“ – „Boeing 787“ – glauben darf, dann hat die fehlende Zapfluftanlage und die zusätzlichen Kompressoren für die Aufbereitung der Kabinenluft keine negativen Einflüsse auf den Kerosinverbrauch. Im Gegenteil – der Artikel spricht von einem geringeren Treibstoffverbrauch, der aber auch auf anderen Faktoren beruht (bessere Aerodynamik, weniger Gewicht aufgrund der Leichtbauweise etc.).

Fliegen – die ultimative Bedrohung?

Wenn man die Erlebnisse der ARD-Crew betrachtet, dann gibt es keinen Grund, unmittelbar um sein Leben fürchten zu müssen. Denn die in der Zapfluft enthaltenen Noxen werden nur dann zu einem unmittelbaren Problem, wenn sie konzentriert in der Atemluft zu finden sind. Sie können aber zu einem Problem werden, wenn man dauerhaft, wie Piloten und Crew zum Beispiel, in einer Luft arbeiten muss, die mit Spuren dieser Noxen durchsetzt ist.

Die ARD-Crew hatte auf ihren Flügen Apparaturen im Taschenformat dabei, mit denen sie der Kabinenluft Proben entnehmen konnten, um sie später im Labor analysieren zu lassen. Sie nahmen auch „Wisch-Proben“ von den Innenwänden, um sie auf entsprechende Spuren zu untersuchen. Des Weiteren entnahmen sie sich vor und nach einem Flug (mit verschiedenen Fluggesellschaften) selbst Blutproben, ebenfalls für eine Analyse auf die oben erwähnten Nervengifte.

In Zusammenarbeit mit der Universität von Darham, USA und Prof. Mohamed Abou-Donia wurden die Proben ausgewertet. Das Ergebnis: Bei allen Flügen zeigten die Luft- und Wisch-Proben Spuren der Nervengifte. Die Gifte wurden auch in den Blutproben nachgewiesen, die mit der steigenden Zahl der Flüge auch zunahmen. Auch die Blutproben vorher versus nach dem Flug zeigten das typische Muster, dass der Flug zu einer etwas höheren Menge an Noxen im Blut geführt hatte.

Nur ein Flug zeigte keine Gifte in der Luft und an den Wänden – der Flug mit dem Dreamliner. Prof. Abou-Donia erklärte, dass die von den Reportern aufgenommenen Mengen kein Grund zur Sorge seinen, da der Körper das Gift abbauen kann und die aufgenommenen Mengen nicht signifikant waren. Aber er warnte auch davor, dass eine dauerhafte Zufuhr von solch kleinen Mengen zu einem großen Problem werden kann, da die Entgiftungskapazitäten des Organismus nicht grenzenlos sind. Werden sie überschritten, dann kommt es zur Akkumulation der Noxen und darauf folgend zu gesundheitlichen Schädigungen. Da aber die Toleranzbereiche für jeden individuell verschieden sind, kann niemand sagen, ab welchen Konzentrationen Tag für Tag der Einzelne noch auf der sicheren Seite ist beziehungsweise sich in Gefahr begibt.

Fazit

Es gibt keinen Grund zu vermuten, dass ich mich beim Autofahren vergifte. Dafür lauern hier andere Gefahren. Beim Fliegen dagegen ist eine neue Problematik aufgetaucht, um die sich niemand wirklich gekümmert hat, obwohl sie in internen Kreisen nicht unbekannt war. Und so beeilen sich die Flugzeughersteller und Fluggesellschaften uns nicht nur mit toxischer Atemluft, sondern auch mit ihren Phrasen von Sicherheit und Zuverlässigkeit zu belästigen. Ich gewinne den Eindruck, dass je mehr sie die Mär von der Sicherheit für die Passagiere strapazieren, desto heftiger sie vom eigentlichen Problem ablenken wollen.

Warum? Wenn allgemein anerkannt wird, dass Zapfluftanlagen die Verbreitung von Nervengiften in den Flugzeugkabinen verursachen, dann kommen milliardenträchtige Umbaumaßnahmen auf die Fluggesellschaften (und vielleicht noch Schadensersatzforderungen von Passagieren und Angestellten) zu. Da ist es günstiger, wenn sich die Passagiere selbst um ihre Schäden kümmern. Die Piloten und Flugbegleiter können momentan kaum etwas unternehmen, da eventuelle Schäden noch nicht einmal als Berufskrankheit anerkannt werden. Herzlichen Glückwunsch. Und dann erzählen mir (und Ihnen sicher auch) manche “Experten”, dass das mit der “Entgiftung” (die ich immer wieder anmahne), alles nur “Unsinn” etc. sei. Herzlichen Glückwunsch bei so viel “wissenschaftlicher” Fachkompetenz.