Strophantin

Newsletter

Clicky

Ungesunde Süßstoffe mit Nebenwirkungen?

Informationen aus der Naturheilpraxis von René Gräber

René Gräber

Wer abnehmen will oder sein Gewicht halten will, der denkt darüber nach, statt kalorienreichem Zucker auf Süßstoffe auszuweichen.

Denn diese enthalten bei gleicher Menge weniger Kalorien oder aber sind deutlich süßer als Zucker, so dass man zum Süßen nur einen Bruchteil der Menge benötigt, die sonst für Zucker benötigt wird. Und weniger Kalorien = weniger Zunahme beim Körpergewicht – so die mathematische Ernährungsgleichung.

Ein prominenter Anhänger dieser mathematisch-mechanistischen Beurteilungsweise ist die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung). Auf ihrer Webseite Süßstoffe — süß und sicher (Stand: September 2014) wird den süßenden Stoffen eine Art „General-Absolution“ erteilt, indem die Ernährungsfachleute zum Beispiel dem Aspartam eine Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilen, die besagt, dass die Substanz in KEINEM Zusammenhang mit „potenziell unerwünschten Wirkungen wie Kopfschmerzen, Allergien, Epilepsie oder Krebsentstehung“ steht. Sie werden als Substanzen gelobt, deren Vorteil es ist, „praktisch kalorienfrei“ zu sein. Wir werden uns die Aussagen der DGE für später "merken".

Eine Bemerkung, dass sie sich zum Abnehmen eignen, unterlässt die Webseite der DGE. Es gibt aber auch keinen Hinweis auf mögliche Probleme, auf die wir später noch zu sprechen kommen. Wir merken uns also auch das.

Um es kurz zusammenzufassen: Bei der DGE ist die Welt der Süßstoffe noch in Ordnung, wenn man nicht über die „akzeptable tägliche Aufnahmemenge“ (ADI) hinaus dosiert. Leider gibt es keine ADI-Werte auf dieser Seite, was die Aussagen nicht vertrauenswürdiger erscheinen lässt. Damit dürfen wir uns fürs Erste unsere ADI-Werte selbst schnitzen.

Eine weitere Webseite der DGE jedoch beginnt man dann doch, Ross und Reiter zu nennen: Süßstoffe in der Ernährung. Hier wird ganz klar auf die Frage, ob Süßstoffe dick machen, geantwortet, dass das nicht der Fall sein kann, sondern „Im Gegenteil: Süßstoffe können im Rahmen von Gewichtsreduktionsprogrammen sinnvolle Hilfsmittel zur Reduktion der Energieaufnahme darstellen“. Wir erfahren auch etwas über die ADI, die (man glaubt es kaum!), für Aspartam als „ohne Beschränkung“ angegeben wird. Auch DAS werden wir uns merken.

Auf die Frage nach möglichen Gesundheitsrisiken (Nebenwirkungen) antwortet die DGE in gewohnter Manier, dass alles bewiesen sei und keine gesundheitlichen Gefahren zu erwarten seien. Und für Diabetiker eignen sich die Süßstoffe auch sehr gut, da „Süßstoffe folglich die Blutglucosekontrolle, die Kariesprophylaxe und bei bewusstem Einsatz die Gewichtskontrolle unterstützen können.“ Wir merken uns auch dieses Märchen...

Zurück aus dem Märchenwald der gesunden Süßstoffe

Zurück aus dem Märchenwald der DGE und ihren Einschätzungen von Aspartam und anderen Süßstoffen, möchte ich auf einen älteren und im Nachhinein aktualisierten Beitrag von mir hinweisen: Krank durch Süßstoff Aspartam?

Dort beziehe ich mich auf eine ganze Reihe von ernstzunehmenden Studien, die unter Aspartam mehr als nur „normale“ Probleme gesehen haben. Da fällt es einem schwer, zu glauben, dass die DGE für diese Substanz eine ADI (=ohne Beschränkung) empfiehlt.

Wenn dann noch ausreichend Glutamat als Geschmacksverstärker dazu kommt, dann bestehen noch bessere Chancen, die Fettdepots aufzufüllen, wie eine neuere Studie an Mäusen aus dem Jahr 2013 hat zeigen können: Prediabetic changes in gene expression induced by aspartame and monosodium glutamate in Trans fat-fed C57Bl/6 J mice. Aspartam und Glutamat scheinen nämlich Gene "einzuschalten", die die Regelmechanismen für Glukosehomöostase und die Einflüsse auf Adipositas, Lebergewebe und Fettgewebe kontrollieren. Ob man diese Ergebnisse auch für den Menschen bestätigen kann, das bleibt abzuwarten. Sie sind aber mit Sicherheit kein gutes Zeichen und sollten zumindest zur Vorsicht warnen. Wer prophylaktisch denkt und handelt, wird hier mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine ADI (=ohne Grenzen) empfehlen.

Neues von der Süßstofffront

Es gibt eine neue, besonders interessante Arbeit zum Thema Süßstoff und deren Auswirkungen auf den Stoffwechsel aus Israel. Diese Studie war vermutlich auch der Grund, warum die „Süddeutsche Zeitung“ (Süßstoffe unter Verdacht) zu diesem Thema Stellung nehmen wollte.

Es wurden immer wieder Stimmen laut, die die Hypothese unterstützen, dass Süßstoffe entweder über psychologische Mechanismen zu einer vermehrten Kalorienaufnahme führen oder über indirekte Beeinflussungen des Stoffwechsels zu einer ungünstigen Wirkung führen. Eine Arbeit, die beide Aspekte miteinander vereint, erschien letztes Jahr: Artificial sweeteners produce the counterintuitive effect of inducing metabolic derangements. Diese Arbeit stellt fest, dass es immer mehr ernstzunehmende Hinweise dafür gibt, dass Süßstoffe das Risiko für eine exzessive Gewichtszunahme, metabolisches Syndrom, Diabetes Typ-2 und kardiovaskuläre Erkrankungen erhöhen können.

Damit erfährt die Heile-Welt der Süßstoffe, wie sie von der DGE genährt wird, eine weitere herbe Relativierung in Sachen Unbedenklichkeit und Sicherheit.

Auch hier wird der psychologische Effekt der Aufnahme von süßen Nahrungsmitteln und deren Einfluss auf die Glukoseverwertung und -homöostase zitiert. Demzufolge kommt es zur Vorbereitung der Verdauung von Kohlehydraten, wenn die Zunge „süß“ signalisiert. Da es sich bei den Süßstoffen aber nicht um verwertbare Kohlenhydrate handelt, kommt es zu einer „unphysiologischen“ Reaktion, zum Beispiel Insulinausschüttung, die dann zu vermehrtem Hunger führt. Folge: Der süßstoffangereicherte Abnehmwillige hat noch mehr Hunger als mit Zucker.

Zurück zu unserer neuen Arbeit aus Israel: Artificial sweeteners induce glucose intolerance by altering the gut microbiota. Hier kommt ein Aspekt zum Tragen, an den bislang noch niemand gedacht hat, zumindest nicht in diesem Zusammenhang: Süßstoffe könnten einen Einfluss auf die Darmflora haben und über diesen „Umweg“ zu einer ungünstigen Wirksamkeit führen, was den Einfluss auf Gewicht und Stoffwechsel angeht.

In der vorliegenden Arbeit untersuchten die israelischen Forscher Mäuse, die sie mit verschiedenen Süßstoffen versorgt hatten: Saccharin, Aspartam und Sucralose. Die Mäuse entwickelten innerhalb weniger Wochen signifikant verschlechterte Blutzuckerwerte, was nicht zu erwarten war, da es sich hier ja nicht um Zucker handelte. Auffällig war, dass eine Kontrollgruppe, die Zuckerwasser bekam, noch bessere Blutzuckerwerte zeigte als die drei Süßstoff-Gruppen.

Für die Autoren der Arbeit stand zu diesem Zeitpunkt fest, dass die Süßstoffe einen Einfluss auf die Darmflora der Tiere haben mussten. Also übertrugen sie Exkremente der Tiere aus den Süßstoff-Gruppen auf Mäuse, die keine eigene Darmflora aufwiesen. Ergebnis: Bei Letzteren stiegen die zuvor normalen Blutzuckerwerte an bis in pathologische Bereiche. Eine Untersuchung der Zusammensetzung der Darmflora ergab eine Verschiebung der Populationen. Die Populationen, die zugenommen hatten, zeigten eine verstärkte Stoffwechselfähigkeit, bei der andere mit aufgenommene Kohlenhydrate signifikant besser verwertet wurden. Und das heißt unter dem Strich, dass mehr Kalorien resorbiert werden als unter physiologischen Bedingungen mit einer physiologischen Darmflora. Außerdem ist auch noch nicht klar, was es für den Stoffwechsel bedeutet, wenn die Resorption auf „Overdrive“ geschaltet ist.

Steht noch die Frage an, ob der Mensch sich wie eine Maus verhält oder ob diese Ergebnisse rein akademischer Natur sind. Denn nicht nur die DGE wird an dieser Stelle erklären, dass es keine Hinweise aus epidemiologischen Arbeiten gibt, die ein erhöhtes Risiko für Diabetes unter zum Beispiel Light-Getränken hat ausmachen können.

Aber auch hier scheint ein Mechanismus wirksam zu sein, der einer „Einheitslösung“ oder „one-size-fits-all“ Anschauungsweise der Ernährungswissenschaft widerspricht. Denn die Autoren der Arbeit mutmaßen, dass nicht alle Personen gleichermaßen auf Süßstoffe reagieren. Wenn man davon ausgeht, dass selbst die Darmflora von Person zu Person so unterschiedlich ist, dass man von einem „bakteriologischen Fingerabdruck“ sprechen kann, da die Zusammensetzung der Populationen höchst individuell ausfällt, ist es nur logisch, dass auch die Ansprechbarkeit jeweils eine andere sein muss. Für die Ernährungswissenschaft scheint es nur „die“ Darmflora zu geben, die bei allen Menschen identisch ausfällt. Und das ist mit absoluter Sicherheit nicht der Fall.

Gerade weil es diese individuellen Unterschiede im Aufbau der Darmflora gibt und dieser Sachverhalt den israelischen Forschern nicht unbekannt war, starteten sie eine kleine, kleinste Miniatur-Studie mit 7 Probanden, die normalerweise keinen Süßstoff zu sich nahmen. Diese „glorreichen 7“ wurden eine Woche lang mit Süßstoff versorgt, und zwar in Mengen, die den zuvor erwähnten ADI-Höchstwerten seitens der FDA entsprachen.

Ergebnis: Bei vier Teilnehmern verschlechterten sich die Blutzuckerwerte signifikant, was begleitet wurde von einer Veränderung der Darmflora, wie es zuvor auch bei den Mäusen zu beobachten war. Die Ähnlichkeit der Ereignisse war so frappierend, dass eine Transplantation von Darmbakterien dieser Probanden auf keim- und bakterienfreie Mäuse bei denen zu den gleichen Stoffwechselsymptomen führte wie bei den Menschen zuvor.

Fazit aus dieser Arbeit: Es gibt einen signifikanten Einfluss der Süßstoffe auf die Darmflora bei Menschen und Mäusen, der aber nicht einheitlich ausfällt, sondern von der individuellen Zusammensetzung der jeweiligen Darmflora abhängig zu sein scheint. Damit bräuchte es einen Test, der diese Zusammensetzung ermittelt, damit man „ohne schlechtes Gewissen“ zu Süßstoffen greifen kann. Nein, das meine ich nicht wirklich. Denn hier befinde ich mich schon mit einem Bein auf dem Pfad der Marketing-Menschen, die ein neues Produkt in der Röhre haben... den ultimativen Test für eine Süßstoff-Tauglichkeit. Der, falls es jemals so etwas geben würde, wird vielleicht mit seinen Aussagen die Leute ermitteln, die Süßstoff zu sich nehmen können, ohne einen großen Einfluss auf den Stoffwechsel über die Darmflora zu erfahren. Aber die weiter oben diskutierten Mechanismen und Zweifel über die Sicherheit der Substanzen sind damit immer noch nicht vom Tisch.

Dazu kommt, dass die Arbeit mit 7 Probanden keinen allgemein abgesicherten Aussagewert haben kann. Laut „Spiegel“-Bericht wies das Team aus Israel inzwischen einen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Süßstoffen und einer veränderten Darmflora inklusive verschlechterten Blutzuckerwerten bei einer Gruppe von über 380 Probanden nach. Bezeichnend auch die Aussage vom Leiter der Forschergruppe: „In keiner unserer Untersuchungen hatten Süßstoffe auch nur den Hauch eines positiven Effekts auf Tiere oder Menschen“.

Wieder einmal entpuppt sich die Darmflora als ein entscheidender Regulator. Ich habe bereits zwei andere Artikel (noch nicht veröffentlicht) recherchiert und vorbereitet, die die Rolle der Darmbakterien bei der Wirksamkeit der Grippeimpfung beschreiben und den Einfluss auf die Immunität der Lunge. Hier hatte sich gezeigt, dass die Darmbakterien eine zentrale Rolle spielen. Ein Fehlen der Bakterien resultierte in einer kaum wirksamen Grippeimpfung und einem Ausbleiben von Immunantworten in der Lunge bei Infektionen.

. . . doch der Widerstand regt sich schon

Während die Süddeutsche einen Harvard-Mikrobiologen, Peter Turnbaugh, zitiert, der die Arbeit der Israelis als „faszinierend“ und als „bei Weitem die gründlichste Analyse, die ich bisher gesehen habe“ bewertet, gibt es starken Gegenwind von einer anderen Gilde. Von wem? Nicht schwer zu erraten: von den Ernährungswissenschaftlern. Mal wieder.

Eine Ernährungswissenschaftlerin aus London zweifelt die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen an, obwohl die Übertragung der menschlichen Darmbakterien auf Mäuse (also genau anders herum) bei den Mäusen praktisch identische Reaktionen hervorgerufen hatte. Aber solche Daten scheinen für die Ernährungswissenschaft ohne Signifikanz zu sein. Ein Forscher aus Cambridge kritisiert sofort die 7 Zwerge, so klein sei die Probandenzahl, dass man daraus keine Leitlinien ableiten könne. Aber auch hier wieder das interessierte Weggucken von den Kernaussagen der Israelis, die die Studie nicht gemacht hatten, damit man in Cambridge neue Leitlinien aufstellen kann.

Ein Ernährungswissenschaftler aus Aberdeen regt sich auf, dass der Titel der Arbeit falsch gewählt sei und doch von dem Fachblatt in dieser Form veröffentlicht worden sei. Grundlage für sein Meckern ist seine eigene „Erfindung“, dass Aspartam, Sucralose und Saccharin ähnliche Effekte auslösen können, „doch der Effekt sei bei Saccharin am größten gewesen“. Darum führt der Aberdeener seine Experimente nur noch mit Saccharin durch. Diese Aussage ist wieder bezeichnend für die Qualität der Ernährungswissenschaft. Man sucht nur dort, wo die Effekte am deutlichsten sind. Es ist so, als wenn ich nachts meine Uhr verloren habe. Und weil es dunkel ist, suche ich nach meiner Uhr nur dort, wo es eine Straßenlaterne gibt. Die Uhr habe ich aber 50 Meter von der Laterne weg verloren... Und weil der Aberdeener Ernährungswissenschaftler auf sein geliebtes Saccharin schwört, kümmern ihn die Ergebnisse der israelischen Forscher wenig. Er ist nur an der Überschrift des Artikels interessiert, der so von dem Fachjournal nie hätte zugelassen werden dürfen. Dabei ist aus der israelischen Arbeit relativ klar hervorgegangen, dass alle mit Süßstoff versorgten Mäuse mehr oder weniger schlechtere Blutzuckerwerte aufwiesen. Was den Ernährungswissenschaftlern auch nicht aufzufallen scheint, ist die Tatsache, dass die Süßstoffe einen Einfluss auf die Darmflora haben. Die eigenen Arbeiten, die sie im Sinn haben, untersuchen immer nur den Einfluss von Süßstoffen auf physiologische Parameter direkt. Und da schneiden die Süßstoffe immer besser ab, da sie einen kleinen oder gleich keinen glykämischen Index aufzuweisen haben. Daher auch die arrogante Gelassenheit der Ernährungswissenschaft bei der Empfehlung von Süßstoffen bei Diabetes, Stoffwechselstörungen, metabolischem Syndrom etc.

Daher bin ich umso überraschter, wie dieses Thema von der Süddeutschen aufgearbeitet wird und die Rolle der Bakterien im Verdauungssystem beschrieben und eingeschätzt wird. Dass hier der Ernährungswissenschaft mit ihrem krampfhaften Festhalten an industriefreundlichen Aussagen nicht entgegengewirkt wird, war zu erwarten. Aber ich erwarte auch nicht, dass diese Zeitung vom Mainstream-Paulus zum alternativen Saulus mutiert.

Fazit

Es kommt, wie es aussieht, mal wieder auf die Darmflora an, ob Süßstoffe „verträglich“ sind oder nicht. Wer es genau wissen will, der vermeidet Süßstoffe. Denn sie haben keinen Nährwert und üben keine positiven Effekte auf die Physiologie des Menschen aus. Sie sind einfach nur süß. Und das ist eine Geschmacks- und keine Ernährungsfrage. Keine Geschmacksfrage dagegen ist die Haltung der Ernährungswissenschaft zu den neuen Ergebnissen der israelischen Studie. Sie gibt beredtes Zeugnis von der Unwissenschaftlichkeit und Hilflosigkeit eines Wissenschaftszweigs, für den das Wort „Wissenschaft“ vollkommen unzutreffend ist. Wenn eine „Wissenschaft“ über eine „DGE“ Empfehlungen gibt, Aspartam in unbegrenzt hohen Dosen täglich konsumieren zu können, dann grenzt das für mich an versuchter Körperverletzung (mit Todesfolge?). Wenn man hier nach Studien fragt, die das belegen, dann fangen die Damen und Herren Ernährungsfachleute an, unter den Laternen nach ihren Uhren zu suchen oder meckern über unpässliche Überschriften von unliebsamen Veröffentlichungen.