Strophantin

Newsletter

Clicky

  Giralgeldschöpfung

von Rico Albrecht


Rechnet man alle Staatsschulden der Erde zusammen, dann ergibt sich eine Summe von über 32 Billionen Euro (Stand 2011). Man fragt sich, wem schuldet die ganze Welt so viel Geld? Wer hat es hergestellt und verliehen, wenn sowohl Staaten als auch Banken permanent vor der Pleite gerettet werden müssen?

Warum werfen sämtliche Staaten ihren Völkern vor, sie hätten alle über ihre Verhältnisse gelebt und würden zukünftigen Generationen nur Schulden hinterlassen? Wieso braucht die ganze Welt mehr Wachstum und soll immer mehr arbeiten, mehr sparen und mehr Steuern bezahlen?

Auch die Frage, woher Staaten, die selbst in Schulden versinken, das Geld für Rettungsschirme, Eurorettung, ESM und vieles mehr nehmen, ist entscheidend für das Verständnis aller Zusammenhänge in Wirtschaft und Politik.

Geld entsteht zum einen, indem Zentralbanken es drucken. Doch dadurch gelangt es noch lange nicht in Umlauf, denn schließlich verschenken sie es nicht. Sie verleihen es nur, und zwar an die Geschäftsbanken. Zusätzliches Giralgeld entsteht, indem die Geschäftsbanken dann auf Basis des Mindestreservesatzes vielfach gehebelt weitere Kredite an Staaten, Unternehmen und Privatpersonen geben. Diese Erhöhung der (Giral-)Geldmenge durch die Kreditvergabe der Geschäftsbanken nennt man auch Giralgeldschöpfung. (Quelle: Bundesbank, siehe unten)

Immer wieder werden wir gefragt, was wir von der These halten, dass es die Giralgeldschöpfung der Geschäftsbanken nicht gäbe. Die gängigsten Argumente, mit denen man die Giralgeldschöpfung widerlegen möchte, lauten, dass Giralgeld kein richtiges Geld sei, dass man es in den Bankbilanzen nicht erkennen könne und dass Banken niemals in eine Krise geraten würden, wenn sie sich durch selbst geschöpftes Geld beliebig bereichern könnten.

Auf den ersten Blick ist diese These sogar richtig und in sich schlüssig, allerdings nur wenn man die Begriffe Giralgeld und Giralgeldschöpfung vorher falsch definiert. Selbstverständlich findet keine Giralgeldschöpfung in der Form statt, dass Banken ihr selbst erzeugtes Giralgeld als eigenes Guthaben oder als Gewinn verbuchen. Oder anders ausgedrückt, es erscheint in der Bankbilanz natürlich nicht in der eigenen Kasse, weshalb es auch eine Selbstverständlichkeit ist, dass man es dort nicht findet.

An Aussagen wie, man könne doch nichts verleihen, was man nicht hat, erkennt man, dass die Leugnung der Giralgeldschöpfung nur dann gelingt, wenn man Begriffe ungenau bzw. falsch definiert. Selbstverständlich verleihen Banken kein Geld, das sie nicht haben, sie geben Kredit. Geld verleihen und Kredit geben sind zwei völlig verschiedene Dinge:

Man kann z.B. jemandem 10 Euro leihen, wenn man 10 Euro besitzt. Man kann aber auch jemandem 10 Euro Kredit geben, ohne diesen Betrag zu besitzen, indem man beispielsweise etwas verkauft und der Käufer einem verspricht, später zu bezahlen. Genau das machen auch die Banken. Sie gewähren einen bestimmten Betrag als Kredit an einen Kreditnehmer, und dieser verspricht, später zu bezahlen. Banken verleihen kein Geld. Sie geben Kredit, gedeckt durch ein Rückzahlungsversprechen und die Mindestreserve.

Somit gelangt sämtliches Geld nur als Kredit, also zinsbelastet in den Wirtschaftskreislauf. Dort fehlt aber in Summe das Geld für die Zinsen, so dass man permanent weiteres Kreditgeld und ewiges Wirtschaftswachstum benötigt. Die Problematik des Zinses und die Folgen daraus werden ausführlicher erörtert unter: www.wissensmanufaktur.net/steuerboykott.

Gerne verweisen die Gegner der Giralgeldschöpfung auch auf Bankbilanzen, in denen die Verbindlichkeiten gegenüber Kunden in etwa in derselben Größenordnung liegen wie die Forderungen an Kunden. Daraus schließen sie dann, dass eine Geschäftsbank einem Kunden nur dann einen Kredit gewähren könne, wenn ihre Kundeneinlagen dies zulassen. Tatsächlich ist es allerdings so, dass die gewährten Kredite natürlich zu Kundeneinlagen werden. Doch um diesen Zusammenhang zu verstehen, ist leider ein kleiner Ausflug in die Grundsätze der Buchhaltung unumgänglich. Dem häufig geäußerten Wunsch, die Giralgeldschöpfung einmal ohne Buchhaltung zu beschreiben, können wir leider nicht nachkommen, denn Giralgeld ist Buchgeld und entsteht nur durch buchhalterische Prozesse:

Wenn Geschäftsbanken bei der Kreditvergabe Giralgeld schöpfen, dann erscheint es als Guthaben auf dem Konto des Kreditnehmers und wird somit zu dessen Einlage bei derselben oder einer anderen Bank. Für die kreditgebende Bank ist dieses Giralgeld dann eine Verbindlichkeit (Passivseite der Bankbilanz). Dieser Verbindlichkeit gegenüber entsteht gleichzeitig aber auch eine Forderung an den Kreditnehmer (Aktivseite der Bankbilanz), so dass die Giralgeldschöpfung an sich erst einmal nur eine Bilanzverlängerung darstellt und somit ergebnisneutral ist. Dieser Vorgang erhöht aber dennoch die nachfragewirksame Geldmenge (auch wenn Giralgeld kein Geld im engeren Sinne ist), da der Kreditnehmer sein Guthaben auf die Konten anderer Bankkunden übertragen kann, indem er z.B. Rechnungen bezahlt.

Die Bundesbank selbst beschreibt den Prozess der Giralgeldschöpfung wie folgt: "Wenn eine Geschäftsbank einem Kunden einen Kredit gewährt, dann bucht sie in ihrer Bilanz auf der Aktivseite eine Kreditforderung gegenüber dem Kunden ein – beispielsweise 100.000 Euro. Gleichzeitig schreibt die Bank dem Kunden auf dessen Girokonto, das auf der Passivseite der Bankbilanz geführt wird, 100.000 Euro gut. Diese Gutschrift erhöht die Einlagen des Kunden auf seinem Girokonto – es entsteht Giralgeld, das die Geldmenge erhöht."
Quelle: http://www.bundesbank.de/download/bildung/geld_sec2/geld2_gesamt.pdf (Seite 88 ff., Stand: August 2009*)


*Achtung: Die Bundesbank hat die entscheidende Passage inzwischen komplett anders formuliert. Die Aussagen sind zwar inhaltlich identisch, jedoch nun weniger verständlich ausgedrückt und ohne das anschauliche Beispiel. Frühere Version siehe: geld2_gesamt.pdf (Seite 88 ff., Stand: August 2009)

Ihr Rico Albrecht, August 2011 (aktualisiert im August 2012)


Zur Vertiefung des Themas empfehlen wir:

Bernd Senf
Und es Gibt sie doch!
Die Giralgeldschöpfung der Banken aus dem Nichts